Ray Bradbury: Fahrenheit 451

Eine Welt ohne Bücher? Ein Leben, ohne jemals einen Roman, eine Geschichte, ein Gedicht lesen zu dürfen?

Nicht nur für mich ein traumatische Vorstellung; auch die Widersacher in Fahrenheit 451 leben und sterben für Bücher. Sterben im buchstäblichen Sinne, wenn die Feuermänner vorbeikommen und ihre mit Kerosin gefüllten Flammenwerfer betätigen, um jegliches Buch zu Asche werden zu lassen. Guy Montag ist ein solcher Feuermann. Er arbeitet wie sein Vater und Großvater auf der Feuerwache und verbrennt Bücher, wenn der Alarm ausgerufen wird. Eines Tages jedoch gerät seine geordnete Welt ins Wanken. Er trifft das Mädchen Clarisse aus dem Nachbarhaus, das als verrückt gilt. Sie begleitet ihn von diesem Tag an oft bis zur U-Bahn und stellt ihm allerlei merkwürdige Fragen. Sie bringt Montag dazu, über Dinge nachzudenken, über die er noch nie nachgedacht hat: über den Geruch von Laub, was passiert, wenn man Löwenzahn über das Gesicht reibt, darüber, dass die Menschen früher vor dem Haus auf der Veranda saßen und sich unterhielten und – manches kann er gar nicht glauben –, dass die Feuermänner früher angeblich Brände gelöscht und nicht gelegt haben. Entweder ist dieses Nachbarsmädchen der Auslöser oder der versuchte Selbstmord seiner Frau, an den sie sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnert, der Montag über sein Leben grübeln lässt. Es muss dringend etwas geschehen. Und so nimmt er bei einem Bücherbrand heimlich ein Buch mit nach Hause. Später erfährt der Leser, dass Montag schon mehrere Bücher in seinem Haus hinter dem Lüftungsgitter versteckt hält. Er versucht, mit seiner Frau Mildred gemeinsam zu lesen, sich selbst davon zu überzeugen, was so Schlimmes, Verwerfliches auf diesen Seiten steht. Doch zunächst muss er sie davon überzeugen…

„An Büchern  muss etwas Besonderes sein, etwas, das wir uns nicht vorstellen können, um eine Frau dazu zu bringen, in einem brennenden Haus zu bleiben.“

Ray Bradbury: Fahrenheit 451, S. 84, Diogenes

Der Versuch scheitert. Mildred, ein Schatten ihrer Selbst, verrät ihn an die Feuermänner und Montag muss beim nächsten Alarm mit Schrecken feststellen, dass es seine eigenen vier Wände sind, die in Brand gesteckt werden sollen. Sein Chef, der Kommandant, der ihn schon im Verdacht hatte, zwingt Montag dazu, alles niederzubrennen. Gleichzeitig kündigt er an, dass Montag verhaftet werden wird. Eine brenzlige Situation entsteht, in der Montag sich nicht einmal Hilfe von seinem Bekannten Faber erhoffen kann, mit dem er große Pläne schmiedet: Bücher drucken, Bücher vervielfältigen, Bücher retten. Der einzige Ausweg erscheint Montag zunächst als Rettung, später tut es ihm leid. Mit dem Flammenwerfer, mit dem er gerade noch sein eigenes Zuhause angezündet hat, verbrennt er den Kommandanten und begibt sich auf die Flucht. Wird er es schaffen, Faber wiederzutreffen und seinen Plan in die Tat umzusetzen? Wird er Gleichgesinnte treffen, von denen Faber erzählt hat? Wird er geschnappt werden von der Polizei oder dem elektronischen Spürhund? Wird er seine Frau wiedersehen? Und stimmt es eigentlich, dass Clarisse tot ist?

Die Geschichte des Feuermanns Guy Montag ist fesselnd von Anfang an. Man erschrickt bei dem Gedanken an solch eine Welt, in der Dauerbeschallung per Fernsehen die Menschen verstummen lässt, sodass sie sich nur noch über Belanglosigkeiten unterhalten. Wo kämen wir hin, wenn wir nur noch Fernsehen schauten, uns nur noch berieseln lassen würden von Bildern, die andere uns vorgeben, von Worten, die andere uns in den Mund legen? Manchmal hat man das Gefühl, dass es vielen Menschen tatsächlich schon so geht. Dass sie sich selbst keine großen Gedanken mehr machen. Dass sie keine eigenen Ideen entwickeln. Deswegen lese ich diesen großartigen, sprachlich besonderen Roman von Ray Bradbury auch als ein Plädoyer für die Literatur. Lesen bildet, Lesen ist Balsam für die Seele, Lesen ist ein Rastplatz in einer immer schneller werdenden Welt. Also lasst eure Kinder lesen, lest ihnen etwas vor! Sie sollen sich selbst ein Bild machen, anstatt nur die Bilder im TV zu inhalieren oder von einem Internet-Post zum nächsten zu hüpfen. Es leben die Bücher!

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